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Aktuelles Projekt

Aktuelles Projekt

Viele Autor*innen arbeiten gemeinsam an einem Projekt. Eine historische Geschichte, Science-Fiction, Gedichte - und alles endet in einer literarischen Geschichte, die wir teils mit historischen Recherchen und teils mit viel Fantasie geschrieben haben. Es geht um Schönheit, Geschwisterliebe, Diskriminierung, Selbstzweifel, Gefangenschaft und Lügen. Der Leser verfolgt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Und alles ist inspiriert vom oben gezeigten Gemälde - Jan van Kessel, Eine Kunstkammer mit Venus bei der Toilette, 1659

Leseproben

  1. Venus
     
    im Spiegel sehe ich nur mich.
    bin ich schön?
    liegt im Auge des Betrachters.
    ich bin Venus.
    ich bin schön.
     
    zarte Haut, wie Porzellan
    rosige Wangen duften nach Rosen
    nussfarbenes Haar
    sanfte Lippen, leicht geöffnet, wie eine flatternde Mohnblüte im Wind
    blaue Augen, ein Meer, in dem ein Blick versinkt
    schwebendes Kleid im Chaos der Welt.
     
    Schönheit strahlt von innen.
    Betrachtet mich nicht von außen.
    Glaubt ihr, das ist es wert?
    Gefangen in euren Blicken,
    Strahle ich nicht
    In die Welt
    Will ich fliegen,
    Nicht tot sein
    In eurer Gefangenschaft.

    (Sina Best, 12. Klasse)

  2. Jeder sehnte sich nach einer Einladung von der Fürstin höchstpersönlich. Ein Teil ihres Hofs zu werden, den Anblick ihres isolierten Gartens der Ewigkeit zu genießen – das waren allesamt Geschichten, die man schon als Kleinkind hörte. Man sprach von exotischen Pflanzen und Tieren, die von ganz fernen und unbekannten Orten kämen, Gemälden, die aus einer anderen Welt stammen sollten und von Menschen, deren Haut die Farbe der Nacht hatte. 
    Diese Geschichten hatten eine gewisse unschuldige Begeisterung, die mich bewegte. Früher glaubte auch ich an diesen unerreichbaren magischen Ort, aber heutzutage schwindet mein Glauben mit jedem Tag, der ohne jegliches Lebenszeichen von meiner Schwester vergeht.

    (Alis Bukarova, 9. Klasse)

  3. Eine wunderschöne Frau saß auf einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Nicht irgendeine Frau, sondern die Fürstin. Sie schaut in eine andere Richtung, als wäre ich ihren Anblick nicht wert. Langsam spüre ich meine Wut aufkommen, Wut auf diesen Palast und Wut auf die Fürstin. Das Zimmer ist dunkel. Eine einzige Kerze flackert, leise, bedächtig. Als wäre sie von der Fürstin verängstigt. Die Wächter machen eine Verbeugung, ich passe mich an. Meine Hände pressen auf jeweils einen Oberschenkel. Sie fühlen sich warm an unter dem Stoff. Ihre blonden Haare sind verteilt über ihren ganzen Rücken. „Erhebt euch.“, keine Bitte, ein Befehl. Ihre kalten blauen Augen schauen in meine, sie spießt mich auf bei lebendigem Leibe. Doch ich schaue nicht weg. Meine Augen schauen in ihre.

    (Lara Chiran, 9. Klasse)

  4. Das Blumenbild hatte etwas Dunkles, etwas Verborgenes, oft hatte er die Wirkung des Kerzenlichts, wenn er mit dem Stummel auf das Bild zuging, bestaunt. Denn aus düsteren, matten, träge erscheinenden Farben leuchtete auf einmal eine ungeahnte Farbenpracht, aus dem dreckigen Braun wurde schimmerndes Gold. Der Pinselstrich – sanft und verborgen und dennoch erkennbar. Die Blumen – teils verwelkt, teils abgebrochen und dennoch lebendig. Die Vase – größtenteils verborgen von den Blumen, scheinbar erdrückt unter der Last der Naturpracht, und dennoch so entsetzlich stark. 
    Es klopfte an der kleinen, dicken Holztür hinter ihm. Van Kessel stellte die Kerze auf dem Schemel ab. Er nahm das Laken und zog es wieder über die Staffelei. Keiner musste wissen, mit welchen Gedanken er sich auseinandersetzte. Was er nach außen wiedergab, waren seine eigenen Werke, seine eigenen Leistungen, die – scheinbar fern von jeder fremden Prägung – nur ihm selbst gehörten. Dieses Eigene gab er weiter und nicht das, was er nachzuahmen versuchte. Er strich sich mit dem Hemdsärmel eine Locke aus dem Gesicht, stellte sich scheinbar beiläufig neben die Staffelei und sagte: „ Herein!“

    (Max Muck, 12. Klasse)