In Klasse 10 ist der „Sprachlernzyklus“ für die englische Sprache praktisch abgeschlossen, die Kommunikationsfähigkeit erreicht. Nun geht es darum, in den Umgang mit verschiedenen Textsorten und literarischen Genres einzuführen, die in der Kursstufe einen großen Teil der Arbeit ausmachen werden. Unter anderem die Filmanalyse.
Wie immer gilt es, die SuS in ihren Bedürfnissen und Interessen „mitzunehmen“, um nicht zu sagen, den Unterricht davon leiten zu lassen. Das Lehrbuch sah zwei schon etwas verstaubte Science-Fiction-Filme vor – hmmm.
Auswahl des Unterrichtsgegenstands. Auf der Basis einer Reihe von Vorschlägen der SuS erfolgt eine Vorauswahl. Dabei blieben 5 Filme übrig. Wie einigen wir uns? Die SuS führen zuhause eine erste allgemeine Recherche zu diesen Filmen durch.
Auf dieser Grundlage erarbeiten die SuS in Gruppen Plädoyers für jeweils einen der Filme. (Erste Informationen zu den Filmen, „Werbung“). Danach wird in einer Wahl der Favorit bestimmt: „Spiderman. Far from Home“ mit Tom Holland, die Studienreise einer amerikanischen Schülergruppe nach Europa.
Erstes Brainstorming zu den Studieninteressen bzgl. des Films. W-Fragen. Wie bei einer Klasse dieses Alters zu erwarten, steht zunächst die Betrachtung der Hauptfiguren („wer“) im Mittelpunkt. Schon die zweite Frage („wo“) bietet eine angenehme Überraschung: die erste Erkenntnis, dass der Film vielleicht doch mehr „Tiefgang“ hat, als einfach ein „Action-Film“ zu sein. Die SuS stellen fest, dass wichtige Handlungsmomente immer auf oder im Zusammenhang mit Brücken stattfinden, ein wichtiges Motiv des Films.
Um das Studium ein wenig zu fokussieren, wird die Abschlussaufgabe bekanntgegeben: „Write a film critique. Take into account the question if this (kind of) film lends itself to the study in 10th grade in a German Gymnasium.“ Bis zur Klausur stehen 12 Stunden Unterrichtszeit zur Verfügung.
Vor diesem Hintergrund erarbeiten die SuS in Gruppen Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise. Diese werden an der Tafel gegenüber gestellt um daraus das gemeinsame Studienprogramm festzulegen.
Zunächst wird die oben begonnene „Text“analyse (Film als Text im erweiterten Textbegriff) vertieft und abgeschlossen. Besonderes Augenmerk wird dabei der Frage nach der Intention des „Autors“ und der Wirkung auf das Publikum zuteil. Dies wird im sogenannten „storyboard“ deutlich, in dem sowohl inhaltliche als auch technische Aspekte immer im Hinblick auf die Perspektivenwechsel festgehalten werden.
Da es sich um einen Film handelt, darf das Studium der technischen Aspekte nicht fehlen. Einerseits sind hier Kameraführung und -einstellungen zu nennen, andererseits – und besonders bei einem Action-Film – die Fülle der „special effects“, deren Einsatz durch die technischen Möglichkeiten der Computer immer einfacher zu realisieren und dadurch immer ausgefeilter werden.
„Spiderman“ ist kein eigenständiger Film, sondern basiert auf einem vorher vorhandenen Text, in diesem Fall einem Comic. So war es möglich, Unterschiede und Ähnlichkeiten der beiden Genres zu vergleichen.
Zu guter Letzt, heutzutage aus dem sprachlich / literarischen Unterricht nicht wegzudenken, folgte eine kreative Aufgabe, in der die SuS ihre durch die Filmanalyse erworbenen Kenntnisse einmal selbst umsetzen konnten. In einem guten Text finden sich immer sogenannte „Leerstellen“, Momente, die zum Nachdenken einladen, nach denen die Handlung auch einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können. Solche Möglichkeiten zeigten die SuS in kleinen Teams durch das Erstellen eigener Storyboards inklusive kleiner Zeichnungen unter Berücksichtigung gewünschter Kameraeinstellungen auf. Es zeichneten sich hochinteressante Ergebnisse ab, die leider durch den ersten Corona-Lockdown nicht mehr zur Würdigung gelangten (freundlicherweise stellte ein Team ihre Ergebnisse zur Verfügung, zu sehen in der Bildershow).
In der Klausur mit dem vorgenannten Thema (s. Punkt 4) wurde zum Abschluss recht kontrovers diskutiert. Einige SuS befürworteten den Einsatz eines solchen Films im Unterricht. Sie fühlten sich wahrgenommen und sahen ihre Interessen reflektiert. Andere SuS zeigten sich zufrieden, durch das Studium dieses Films viele wichtige Dinge über die Filmanalyse gelernt und ihre eigene Ausdrucksfähigkeit im Englischen vertieft zu haben. Wieder andere hätten sich die Betrachtung eines möglicherweise „relevanteren“ Films im Sinne des literarischen Kanons gewünscht. Schließlich argumentierte ein Schüler, dem offensichtlich speziell dieser Film gar nicht gefallen hat, sehr gut begründet vollkommen dagegen (wodurch er gleichzeitig unter Beweis stellte, die Analysetechniken gelernt zu haben, ein gewünschtes Ziel des Projekts). Vielleicht wollte er sich den Genuss eines Action-Films durch die Behandlung im Unterricht nicht verderben lassen?
Fazit: Als Lehrerin bin ich sehr zufrieden mit dem Verlauf dieses Projekts, das mich zwischendurch zugegebenermaßen immer wieder vor Herausforderungen stellte, da ich mich weder mit Action-Filmen noch mit aktueller Filmtechnik auskannte. Ich hatte den Eindruck, die SuS waren, mit Hilfe kleiner begleitender Impulse und verschiedener Arbeitsformen, in der Lage, sich in die im Fremdsprachenunterricht in dieser Form noch nicht bekannte Arbeitsweise der Filmanalyse und den kreativen Umgang mit ihren neu erworbenen Kenntnissen erfolgreich hineinzufinden.
Die Ergebnisse:
2019 les